Donnerstag, 19. April 2018

Offener Brief an Nina Bovensiepen (Süddeutsche Zeitung)

Die Süddeutsche Zeitung macht seit Jahren Lobby für Großgastronomie an der Isar und hat diese Woche sogar eine Pressemitteilung des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) veröffentlicht: https://goo.gl/muE8ie

Höhepunkt der SZ-Kampagne ist ein "Kommentar" von Nina Bovensiepen: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/proteste-von-anwohnern-wo-geht-es-hin-mit-der-muenchner-lebensfreude-1.3948538

Die Antwort von Wildfleck:

Sehr geehrte Frau Bovensiepen,
wie kommen Sie eigentlich darauf, dass Menschen keine Lebensfreude daran hätten, wenn Sie ohne eine „Wirtschaft und traditionellen Biergarten“ die Maximiliansanlagen genössen?

Ich bin ein stiller Naturgenießer und absoluter Isarliebhaber. Mir ist bewusst, dass ein solches Projekt den Charakter der Maximiliansanlagen verändern wird.

Als Landschaftsschutzgebiet Isarauen unterliegt der Bereich dem Bundesnaturschutzgesetz. In § 1 (bitte lesen) ersehen Sie, dass es um einen eigenen Wert von Natur und Landschaft geht und um den Erholungswert von Natur und Landschaft.

Das Bundesnaturschutzgesetz meint nicht Wirtshäuser oder Rooftop-Bars wie hier: https://muenchen.mitvergnuegen.com/2017/maxwerk-biergarten

Mir gefallen die Spaziergänge in den Maximiliansanlagen mit
-über 50 Vogelarten (bitte anschauen),
-Dunkelheit zum Sterne- und Mond-Schauen,
-Fledermäusen, Igeln, Eichhörnchen und vielen Tieren,
-sportlichen Menschen, die in Bewegung sind,
-ruhesuchenden Menschen, die im Rasen liegen,
-allen möglichen sozialen Schichten,
-fantastischen Silhouetten wie auch dem Maxwerk,
-spielenden Kindern, die noch ihrer Fantasie freien Lauf lassen können,
und vielem mehr.

Dass ich daran keine Lebensfreude hätte, ist Unsinn. Ich bin auch nur einer von zigtausenden, die es cool und entspannt finden keine Bierdimpfl-Haufen oder Hipsteransammlungen an diesem Ort wahrnehmen zu müssen.

Tatsache ist, dass es tausende potenzielle Nachfrager nach alkoholischen Getränken gibt, die die höchste Gewinnmarge haben. So tun sich Stadtwerke und Augustiner Bräu zusammen und machen als Anbieter Lobby auch durch die Süddeutsche Zeitung.

Ich hoffe, meine Lebensfreude bleibt noch einige Zeit erhalten. Leider verliert München immer mehr seine Traditionen und sein Gesicht. Dazu gehören freie Grünanlagen, die es so nirgends auf der Welt gibt. Anderswo ist alles mit Gastro vollgepflastert wie am Donaukanal in Wien oder an der Spree. Paris Plage ist da nur ein kleines Projekt, ein Massenbiergarten vernichtet die ganze Münchner großbürgerliche Kultur, die in den Maximiliansanlagen ihre letzte Repräsentation hat. Der Augustiner Biergarten macht die Oase der gepflegten Lässigkeit, der wohlwollenden Distanz zu einem Ort der Massenabfüllung. Der Münchner Individualismus stirbt, jeder soll im Dahoam-is-Dahoam Film mitspielen. Und Söder zapft dann an.

Leider haben Sie und Ihre Kollegen null Sinn für diese Mikrokultur, die gerade das von Ihnen propagierte Leben und Leben lassen sichert. Niemand wird zu einem Biergartenbesuch und Konsum gedrängt, wie das am „Kulturstrand“ ja zu beobachten ist. Und niemandem wird eine „Biergarten“ Kultur aufgedrängt, die es so an diesem Platz noch nie gegeben hat.

Die Bezirksausschüsse vertreten die Anwohner und sind kulturell versierter als Sie und viele andere Biergartenlobbyisten.


Als Zugereiste hat man Ihnen wohl eingebläut, dass Biergärten, Lederhosen und Jodeln zur „bayerischen Lebensart“ gehörten. Dem ist nicht so. Es gibt tausende, die nach München gezogen sind, um dieser vermeintlichen Lebensart Gegenentwürfe entgegenzusetzen, die sich auch in der Isarkultur ohne Gastro und Kommerz äußern.

Denken Sie mal drüber nach, bevor Sie sich weiterhin propagandistisch an der Zerstörung kultureller und natürlicher Werte beteiligen.



Mit freundlichen Grüßen


Dr. Stefan Engelsberger


Wildfleck gemeinnützige UG (haftungsbeschränkt)
Sitz: München
Amtsgericht München: HRB 222 825
Gesellschafter-Geschäftsführer: Dr. Stefan Franz Karl Engelsberger

Postanschrift:
Wildfleck c/o Engelsberger, Adelgundenstr. 11, 80538 München

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